20 DINGE, DIE ICH ÜBER MODE GELERNT HABE –
EIN GASTBEITRAG VON MARLENE SØRENSEN


Ich weiß noch, was ich dachte, als ich Marlene im Büro zum allerersten Mal gesehen habe. Wow, ist die lässig. Und es stimmte. In den Jahren, die wir zusammen als Volontärinnen bei Amica und später als Freunde verbrachten, habe ich es immer wieder gedacht. Und damit meine ich nicht nur ihren Charakter (der noch so vieles mehr ist als lässig, aber eben auch sehr lässig), sondern ihren Stil. Ich mag Mode auch, sehr sogar, aber nicht so wie sie. Marlene liebt Mode. Sie weiß unendlich viel über Mode. Sie versteht Mode (und was sie aus Menschen machen kann). Sie kann sich verwandeln, in alle möglichen Frauen, und weiß doch immer, wer sie ist. Ich wünschte, ich hätte nur einen Bruchteil ihrer Mühelosigkeit und Selbstverständlichkeit. Deswegen habe ich mich auch rauf und runter gefreut, als sie mir erzählte, dass sie ein Buch schreibt. Marlene kann nämlich nicht nur Mode, sie kann auch schreiben. Smart, unglaublich witzig, mit großer Wärme und, mir fällt kein besseres Wort dafür ein, unverschwurbelt. Wahrscheinlich habt ihr euch „Stilvoll” längst bestellt, aber falls nicht: macht es. Von all den Modebüchern, die ich besitze (und das sind einige) ist es mir mit großem Abstand das liebste. Marlene hat es nämlich nicht nur geschrieben und irrsinnig tolle Frauen getroffen, um mit ihnen über ihren Stil zu sprechen (und darüber, wie sie ihn gefunden haben), sie hat auch alle Bilder gemacht. Und bevor ich jetzt noch länger schwärme, lest doch einfach mal selbst...




20 DINGE, DIE ICH ÜBER MODE GELERNT HABE – von Marlene Sørensen

1. Es braucht gute Schuhe.

2. Richtig gute Schuhe. Es gibt einen Grund, warum Türsteher, Personalchefs und auch beste Freundinnen zuerst nach unten gucken. Schuhe entscheiden sofort darüber, wie man dasteht. Nebenbei sind sie der einfachste Weg, ein zufälliges Outfit absichtlich wirken zu lassen. An Tagen, an denen mir mein Kleiderschrank uninspiriert vorkommt – warum so viel Schwarz? Waruuuuum? –, fange ich den Look von den Füßen aufwärts an. Das erleichtert die Schritte bis zum vollständigen Outfit. 

3. Man kann sich so ernsthaft mit Mode beschäftigen, um auf Ratschläge wie „Fangen Sie Ihr Outfit von den Füßen aufwärts an“ zu kommen. Wichtiger ist, sie mit Humor zu nehmen. (Der Ratschlag ist allerdings ernst gemeint.) 

4. Ich finde es zum Beispiel ziemlich unterhaltsam, dass ich dachte, ich sei eine Frau, die Schluppenblusen trägt. Und Culottes. Und Fellwesten. Nicht, dass an diesen Teilen etwas kategorisch falsch wäre. Sie sind nur nicht das Richtige für mich. 

5. Aber ich mag, dass ich mir vorgestellt habe, ich könnte diese Frau sein. Die wagemutiger ist als ich. Experimentierfreudiger. Bunter. Die ausprobiert, ob ein seidenes Halstuch sie zu einer Parisienne macht, nur um dann festzustellen, dass sie bloß aussieht wie eine Flugbegleiterin der AirFrance. Persönlicher Stil entsteht ebenso sehr aus all den Teilen, die man nicht hätte kaufen sollen, wie aus denen, die man kauft. 

6. Die besten Käufe sind die, die man auch in fünf Jahren noch tragen möchte. Und es kann, weil sie eine Qualität haben, die mehr als drei Waschgänge aushält. Es muss nicht teuer sein, gut auszusehen. Aber es muss klar sein, dass bei einem T-Shirt für drei Euro jemand anderer draufzahlt. 

7. Nicht zu rechtfertigen ist hingegen auch, wenn man ernsthaft darüber nachdenkt, seine Zusatzrentenversicherung für ein paar Monate auszusetzen, um sich stattdessen eine Handtasche zu leisten. 

8. Es sei denn, die Handtasche ist wirklich schön. 

9. Ein Witz!

10. Vielleicht.

11. Man kann den Mann fragen, die gnadenloseste Freundin, die Verkäuferin im Laden, die ehrlichste Antwort bekommt man, wenn man ein Foto von sich (in der Umkleide) macht. Nicht, um es auf Instagram zu stellen. Obwohl man natürlich auch das machen kann. Sondern weil Bilder nie lügen. 

12. Top-3-Lügen, die ich mir nicht mehr abkaufen sollte. 1. „Das ziehst du ganz sicher an.“ Betrifft 50 Prozent des Kofferinhaltes vor jedem Urlaub. 2. „Das ziehst du ganz sicher an.“ Betrifft 50 Prozent aller Urlaubskäufe. 3. „Das ziehst du ganz sicher an.“ Betrifft alle Käufe, bei denen ich etwas gekauft haben, um etwas zu kaufen.

13. Roter Lippenstift ersetzt circa die Hälfte der Mühe, die man sich sonst mit einem Outfit geben müsste. 

14. Ein anderer mag in meinem Trenchcoat nur einen beigen Mantel sehen. Ich weiß dagegen, dass er mich nicht nur vor schlechtem Wetter beschützt, sondern auch vor miesen Tagen, modischen Krisen und beim Termin mit dem Steuerberater. Der hat zwar letztens nicht gelacht, als ich ihm vorschlug, den Trench als Arbeitskleidung abzusetzen. Der Mantel ist aber sogar noch mehr als das: Rüstung, Mutmacher, Kraftgeber. Mode muss am Ende nicht viel mehr können, als dass man sich darin schön, stolz und nicht verkleidet fühlt.  

15. Es gibt kein erhebenderes Gefühl, als die perfekte Jeans zu finden.

16. Bis man die nächste perfekte Jeans sucht. 

17. Bei Schnitt, Sitz und Passform gibt es keinen Verhandlungsspielraum. Deshalb nicht verzweifeln, wenn die Beine der eigentlich perfekten Jeans zu lang sind, sondern einen vernünftigen Schneider finden. 

18. Man wird vermutlich nie denken, dass man die perfekte Garderobe besitzt. Aber es geht auch gar nicht um Vollständigkeit, sondern um Vergnügen.  

19. Sag niemals nie. Außer zu Steghosen. 

20. Noch mal zu den Schuhen. Es sollte mindestens ein Paar darunter sein, das man nur an ein paar Tagen im Jahr trägt. Diese Tage sind genauso wichtig wie die übrigen 363 im Jahr und die Samt-Sandaletten mit 12-Zentimeter-Absatz so fundamental nötig, wie die gut eingelaufenen Chucks, in denen man jeden Morgen zur Kita stiefelt. 

„Stilvoll” ist bei Callwey erschienen – und zwar mit drei verschiedenen Coverversionen. Alle Fotos von Marlene Sørensen aus „Stilvoll” (von oben nach unten): Alex Eagle, Joy Denalane, Franziska Steinle, Michaela Aue, Claudia Zakrocki und Lisa Marie Dahlke. Marlenes Blog „Spruced” ist hier zu finden.





EIN BLICK IN UNSERE BABYECKE




Es gibt Ecken in unserer Wohnung, die sich ganz genau richtig anfühlen. Mein kleiner, eigentlich total merkwürdig im Flur platzierter Schreibtisch ist so eine Ecke. Und unsere Küche. Seit ich sie vor vier Jahren umgeräumt habe, verbringe ich die meiste Zeit an unserem Küchentisch. Und dann gibt es Orte, die sich immer irgendwie unfertig anfühlen. Unser Schlafzimmer zum Beispiel. Bis vor ein paar Wochen die Babyecke eingezogen ist. Unglaublich, wie sehr es sich verändert hat, seit alles an einem neuen Ort steht. Plötzlich ist es hier richtig gemütlich. Aber vielleicht liegt das auch einfach daran, dass im kleinen Schlafsack nun tatsächlich ein kleines Mädchen liegt und man hier sehr gut herumhöhlen kann.

Mir ihr eingezogen sind...
* Postkarten von „Ava & Yves” und „Papierahoi”, die ich bei Greta + Björn gefunden habe, einem ganz zauberhaften Kinderladen in der Berliner Rykestraße.
* Das Roar-Poster – auch von dort.
* Eine Walrassel, ein Wimpel und zwei Postkarten von Gretas Schwester.
* Eine Wickelauflage. Die sollte dieses Mal besonders stabil sein, damit man sie gut durch die Wohnung tragen und auch aufs Bett oder Sofa legen kann, damit Fanny mitwickeln kann, wenn sie will. Eine Eisbär-Lampe, die nachts leuchtet wie ein kleiner Mond. (Das brauche ich auch. Ich renne im Dunkeln nämlich gegen jede Kante, sogar wenn gar keine in der Nähe ist.) Und ein Häschen. Alles von Smallable.
* Kuschelige Strickjacken von meiner Mama und meiner Freundin Silke (nach einer Vorlage von Mme Ulma), über die ich mich wirklich jeden Tag freue. So weich und schön. Ich hoffe, sie passen noch ganz lange.
* Eine Bettschlange.
* Eine Teddyspieluhr aus dem Tiny Store, die „Lalelu” spielt und schon sehr geliebt wird.
* Eine Wimpelgirlande, die ich aus Stockholm mitgebracht habe.
* Ein Sternchen-Schlafsack aus dem Sale von Noë und Zoé.
* Dazu ein paar Fanny-Bilder und Herzen.

Kommt gut in diese Woche.

Die mit *-markierten Dinge habe ich netterweise vom französischen Conceptstore Smallable zur Verfügung gestellt bekommen – herzlichen Dank dafür.

DER OKTOBER 2016 (UND WAS IHN GUT GEMACHT HAT)


Gewartet. Gewartet. Gewartet. Ich bin nicht sonderlich gut darin, schon gar nicht, wenn ich so aufgeregt bin, wie ich es in den Oktobertagen war. Wann geht´s los? Wie wird es dieses Mal werden? Geht´s dem Baby gut? Wie wird er sein, dieser kleine Mensch, den ich nun schon so lange mit mir herumtrage? Wie wird das Leben zu viert? Und wie fühlt sich Fanny als große Schwester? Irgendwann habe ich aufgehört, Antworten auf diese Fragen zu suchen (am Ende finden sich die Antworten ja ohnehin von selbst) und mich bloß noch fallen lassen (oder es zumindest versucht). Kleine Runden im Kiez gedreht, Kastanien gesammelt, die Wohnung gemütlich gemacht, die Kliniktasche ein- und wieder ausgepackt, um sie dann wieder ein- und auszupacken, endlich mal wieder gelesen, Fanny als total gefährlichen, aber doch nicht zu gruseligen Vampir probegeschminkt und Kürbisse geschnitzt, einen großen Hasen für Fanny besorgt und einen kleinen für ihre Schwester. Und...

* ... diesen Apfelkuchen gebacken. 
* Und Laura Nyros'„Stoned Soul Picnic”, gegen die dunklen Tage. 
* Schokoriegel gefuttert. Verdammt, diese Schokoriegel. Ich wünschte, ich hätte sie nie entdeckt. Nein, das stimmt nicht.
* Seit Ewigkeiten mal wieder einen Kurzfilm geschaut. Wieso schaue ich bloß so selten Kurzfilme? „The Stutterer” ist so beeindruckend, so warm, so gut.
* Nach oben gesehen. Wie schön diese Bilder sind.
* Mitgelächelt. „You´re so beautiful.”
* Unendlich viele Partien Sagaland gespielt. Als Kind habe ich dieses Spiel geliebt. Und es hat sich nichts daran geändert (obwohl ich eigentlich immer verliere). 
* „West Wing” geschaut. Eigentlich hatte ich schon alle Staffeln durch, jetzt habe ich wieder von vorne angefangen. Und ich genieße jede einzelne Folge.
* Überlegt, was diesen Winter in meinen Kleiderschrank einziehen dürfte. Zuallererst: diese Tasche. 
* Diese Wahnsinnsgeschichte über den Food-Kritiker der New York Times gelesen.
* Diese Geschichte über Adele.
* Die Kindermode von Lisqa entdeckt. Ich bin sowas von verknallt in dieses graue Sweatshirt. Und den Rucksackfreund. Eine Crowdfunding-Aktion, die ich unbedingt unterstützenswert finde. Schaut doch mal rein.

Und dann ging es wirklich los und aus dem ewigen Davor wurde endlich ein Danach...

Wie war denn euer Oktober? Ich hoffe, ihr hattet es schön.

DA, SO DA


Eine mehr. Wie in diesem Kinderbuch, das Fanny hat. Auf jeder Seite taucht noch ein Kind auf, einer mehr, ganz plötzlich, als hätte niemand mit ihm gerechnet. 

Natürlich haben wir mit ihr gerechnet. Wir haben ein Körbchen und Strampler besorgt, unser Leben so organisiert, dass ein Baby in ihm Platz haben würde. Wir haben uns einen ersten und zweiten Vornamen für sie ausgedacht und uns monatelang gefragt, ob sie die richtigen sein würden, um dann bei ihnen zu bleiben, weil sie die richtigen sind, und wir sie in der Zwischenzeit schon so oft mit ihren Namen und Kosenamen angesprochen hatten, dass sie (zu) ihr gehörten. Nestbau, was man eben alles so macht. Und doch bereitet einen nichts, keine Erfahrung, keine Vorstellung oder Vorfreude darauf vor, wie es ist, wenn sie dann da ist. 

Die kleinen Geräusche, die sie macht, ihr Seufzen, Glucksen, Maunzen, Schnorcheln. Die Mimikstürme in ihrem Gesicht. Natürlich wissen wir, dass sie noch nicht wirklich lacht, aber hat sie eben nicht eindeutig gelächelt? Das Wiedererkennen. Sieht sie nicht genauso aus wie Fanny in ihren ersten Tagen, sie könnten Babyzwillinge sein, da ist seine Nase und mein Stirnrunzeln, Mini-Fanny-Hände. Das Kennenlernen. Ihr Blick, wenn sie Hunger hat. Ihre Füße, die noch viel zu klein sind für den kleinsten Strampler. Ihre Fingernägel. Ihr Kopf. Wie kann ein Kopf nach Marzipan riechen? Die Rückkehr der Einhändigkeit. Und der Müdigkeit. Und der Fahrstuhlgefühle. Alles ist neu, aber gar nichts fremd. Alles ist anders, aber ganz genau richtig so. Wie sie auf seiner oder meiner Brust liegt und schläft und die Augen aufschlägt und merkt, dass alles gut ist und wieder einschläft, mit dieser Schwere, die sich ganz und gar fallen lässt. Das Glück des Verschmolzenseins. Nur dass es jetzt noch mehr Glück ist, weil da eine große Schwester ist, die neben ihrem Körbchen sitzt und ihr zusieht, sie streichelt und Baby! sagt und Baby! gleich schon Tricks beibringen will, schau doch mal, sagt sie, so hält man den Schnuller fest. Schau doch mal, so küsst man. Monatelang hat sie mit ihr in meinem Bauch gesprochen, oft hat sie ihr geantwortet, mit einer Bewegung, einem Tritt, sobald ich schwanger genug war, dass man die Fußausbeulungen fühlen und sehen konnte. Baby! sagte sie irgendwann, jetzt komm. Und sie kam tatsächlich. Eine mehr. 
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